Diskussion über Schweinegrippe-Schutzimpfung
Um die geplante Schweinegrippen-Impfung von 25 Millionen Deutschen ist ein Streit zwischen Gegnern und Befürwortern entbrannt. Kritiker beklagen eine "sinnlose und gefährliche Aktion", offizielle Stellen warnen vor einer unüberschaubaren Pandemie. Doch während die Vorbereitungen für die Reihenimpfung auf Hochtouren laufen, ist der Umgang mit möglichen Nebenwirkungen noch kaum geklärt.
Von Frank Zirpins, tagesschau.de
Kopfschmerz, Schüttelfrost, Lähmungserscheinungen – diese Nebenwirkungen befürchten Kritiker bei der massenhaften Verabreichung des Impfstoffs gegen das H1N1-Virus, die Schweinegrippe. "Sehr gefährlich" sei die Impfaktion, sagt der Vorsitzende des Vereins "Ärzte für individuelle Impfentscheidungen", Stefan Schmidt-Troschke. Der Impfstoff sei unzureichend getestet.
"Kein normaler Impfstoff"
Ähnlich äußert sich der Herausgeber des "arznei-telegramms", Wolfgang Becker-Brüser: "Entgegen aller Behauptungen des Robert-Koch-Instituts ist dies kein normaler Impfstoff", sagt er tagesschau.de. "Darin ist ein Wirkverstärker enthalten, der bislang noch nicht in einem kommerziell erhältlichen Medikament verwendet wurde." Es handelt sich um so genannte Adjuvanzien, die beim Impfen eine stärkere Immunreaktion auslösen und so einen rascheren und breiter gefächerten Schutz bringen sollen. "Dieser Verstärker verdoppelt die Häufigkeit von Nebenwirkungen", ist sich Becker-Brüser sicher.
Paul-Ehrlich-Institut: Der Impstoff ist sicher
Dem widerspricht Susanne Stöcker, Sprecherin des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI): "Zwar werden die Reaktionen stärker sein als bei einer herkömmlichen Grippeimpfung", der neue Stoff sei aber sicher. Rötungen und schmerzende Arme könnten Folgeerscheinungen der Injektion sein. "Das Medikament beruht auf Musterzulassungen, lediglich der Erregerstamm wird ausgetauscht. Das ist reine Routine", ergänzt sie. Der Hersteller Glaxo Smith Kline habe bereits im Rahmen der Musterzulassung Studien erstellt.
Patienten werden überwacht
Die massenhafte Verabreichung des Medikaments solle zudem durch eine Studie begleitet werden, die unter behördlicher Kontrolle steht. "Eine größere Patientengruppe wird dazu aktiv überwacht", sagt Stöcker.
Schwieriger ist eine Überwachung bei Risikogruppen wie Schwangeren, die wegen ihres schlechten Immunsystems in der H1N1-Impfhierarchie ganz oben stehen: Es könne Jahre dauern, bis Studien aussagekräftige Werte über eine mögliche fruchtschädigende Wirkung ergäben, so PEI-Sprecherin Stöcker. Sie verweist auf den durch die Weltgesundheitsorganisation ausgerufenen Pandemie-Status und mahnt: "Wenn sie jetzt noch so eine Studie machen wollen, dann riskieren sie, dass in der Zwischenzeit etliche schwangere Frauen durch die Grippe sterben."Schwierige Situation für Schwangere
Die Impfung Schwangerer soll eng durch das Berliner Zentrum für Arzneimittelsicherheit in Schwangerschaft und Stillzeit, Embryotox, beobachtet werden. Dort ist man allerdings sehr vorsichtig, welche Empfehlung man Schwangeren geben soll. "Es gibt im gesamten europäischen Raum keine Erfahrung mit der neuen Impfung", sagt der ärztliche Leiter Christof Schaefer.
Man müsse bei der neuen Grippe vernünftig zwischen Panikmache und Sorglosigkeit abwägen, sagt Schaefer, der auf die Impfempfehlung der offiziellen Stellen verweist. "Bei Schwangeren wäre ich zurückhaltend, sie im ersten Drittel zu impfen, wenn sich beim Kind die Organe bilden." Er erwartet aber keine Wirkung wie bei dem berüchtigten Medikament "Contergan", das in den 60er-Jahren zahlreiche ungeborene Kinder schädigte.
Wer haftet für Schäden?
Und was, wenn die Grippeimpfung doch ungeahnte Risiken und Nebenwirkungen entfaltet? "Je nach den Umständen des Einzelfalls können sich Schadenersatzansprüche bei möglichen Impfschäden oder Impfkomplikationen aus der Haftung des impfenden Arztes oder des pharmazeutischen Unternehmers ergeben", teilt das Bundesgesundheitsministerium mit. Auch ein "Anspruch auf staatliche Versorgung wegen eines Impfschadens nach dem Infektionsschutzgesetz" sei möglich.
Die Hoheit darüber, wer geimpft wird, liegt bei den Bundesbehörden. Den Impfstoff selbst bestellen und verabreichen die Länder. Wolfgang Becker-Brüser vertritt deshalb die Ansicht: "Es ist eine öffentlich empfohlene Impfung, da muss der Staat haften."
Mediziner weisen bereits die Verantwortung für mögliche Schäden von sich. Bei der Ärztekammer Nordrhein in Düsseldorf ist die Antwort eindeutig. Die Rechtsabteilung beruft sich auf das Arzneimittelgesetz. Demnach ist für etwaige Schäden, die durch ein Medikament auftreten, der Hersteller verantwortlich. Doch die Beweislast liegt beim betroffenen Patienten. Der muss im Zweifel ein Gericht überzeugen, dass er durch genau dieses Medikament geschädigt worden ist – ein Prozess, der Jahre dauern kann und viel Geld kostet.„Ärzte nicht in Regress nehmen“
Der Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Roland Stahl, betont gegenüber tagesschau.de: "Wir verlassen uns auf die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts und sehen die Impfung als richtig an." Es gehe aber nicht, dass möglicherweise Ärzte in Regress genommen würden. Es sei gut, dass die Reihenimpfungen bei den Gesundheitsämtern vorgenommen werden sollen. So müssten nicht die Mediziner entscheiden, wer eine Impfung bekomme.
Die Schutzimpfung als "Großversuch"?
Impfkritiker Becker-Brüser spricht von einem "Großversuch an der deutschen Bevölkerung", der von "allgemeiner Hysterie beflügelt sei". Ähnlich wie in den USA hätte auch in Deutschland, wo die Grippe noch milder verlaufe, ein Impfstoff ohne Wirkverstärker ausgereicht. Zudem sei noch nicht getestet, ob die vorgesehene Zweitimpfung überhaupt nötig sei. Durch sie verdoppeln sich die Kosten der gesamten Impfaktion.
Quelle: bild.de, rp-online.de, focus.de, welt.de, berlinonline.de, AFP, mz-web.de, n-tv.de, sueddeutsche.de, spiegel.de, aerztezeitung.de, tagesschau.de.....
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