Viele Patienten klagen, dass ihnen bei Schweinegrippe-Verdachtsfällen nicht geholfen wird. Die Mediziner verweisen auf hohe Kosten und komplizierte Regelungen. Eltern schildern die Odysee nach einem Verdachtsfall.
Berlins Kinder- und Jugendärzte fordern klarere und vor allem realistische Kriterien für die Erkennung und die Behandlung der Schweinegrippe. „Momentan ist allein bei der Logistik und Bezahlung noch so vieles ungeklärt, dass man bei steigenden Fallzahlen wie sie im Herbst zu erwarten sind, mit großen Problemen rechnen muss“, sagt der Sprecher der Berliner Kinderärzte, Ulrich Fegeler.
So hätten viele Kinderärzte keine Möglichkeit, Patienten mit Verdacht auf Schweinegrippe in ihren Praxen räumlich zu isolieren. Außerdem sei die Logistik, um die Proben ins Landeslabor zu bringen, nicht ausgereift. Unklar sei auch, in welchen Fällen der sogenante PCR-Test, mit dem das Virus H1N1 nachgewiesen werden kann, von den Kassen bezahlt werde, sagte Fegeler.
Dabei ist nach den Vorstellungen der Gesundheitsbehörden alles ganz einfach: Wer glaubt, dass sein Kind an Schweinegrippe erkrankt ist, geht zu seinem Kinderarzt – am besten nach telefonischer Anmeldung. Der Arzt entnimmt in Schutzkleidung in einem separaten Raum drei Abstriche aus Nasenlöchern und Rachen. Dann ruft er das Landeslabor an und bestellt einen Kurierdienst, der die Proben abholt, während er den Eltern rät, sich und ihr Kind sicherheitshalber von anderen fernzuhalten.
Was Uwe K. aus Schöneberg zu Beginn dieser Woche erlebte, war allerdings ganz anders. Am Wochenende hatte ihm seine Ex-Frau den gemeinsamen Sohn nach Berlin gebracht und ihm nebenbei erzählt, dass sie einige Tage zuvor positiv auf Schweinegrippe getestet worden sei.
Als sein Sohn am Sonntag hohes Fieber bekam, rief K. in zwei Kliniken an und schilderte den Fall. „Die haben gesagt, dass ich am Montag zum Kinderarzt gehen soll“, erzählt K.: „Doch die ersten zwei Kinderärzte, bei denen ich am Montag anrief, erklärten, dass sie mein Kind nicht behandeln würden und ich es in eine Klinik bringen sollte.“
Der Hinweis, dass die Kliniken ihn bereits zu den niedergelassenen Kinderärzten geschickt hätten, half nicht weiter. Erst ein dritter Kinderarzt war schließlich bereit, Sohn von Uwe K. vorschriftsmäßig in einem separaten Raum seiner Praxis Schleimhautabstriche zu entnehmen. „Das müssten Sie jetzt ins Landeslabor bringen“, sagte er anschließend. Uwe K. war verblüfft: „Ich soll jetzt mit meinem Kind in die U-Bahn steigen?“, fragte er. Das gehe am schnellsten, bekam er zur Antwort.
Dem Tagesspiegel sagte der Kinderarzt: „Mit dem Material konnte nichts geschehen, es war absolut sicher verpackt.“ Auf den Hinweis hin, dass der Sohn und der inzwischen möglicherweise ebenfalls bereits infizierte Vater auf dem Weg mit öffentlichen Verkehrsmitteln viele andere Menschen hätte anstecken können, sagte der Arzt: „Ich bin davon ausgegangen, dass der Vater mit dem Auto zum Labor fährt.“
Auch wenn das zuständige Gesundheitsamt in Schöneberg ebenso wie die Senatsgesundheitsverwaltung dies als Einzelfall abtun, zum Landeslabor in der Invalidenstraße werden die Proben keineswegs selten durch die Patienten, ihre Eltern oder mit dem Taxi gebracht.
„Was sollen wir denn tun?“, fragt der Arzt aus Schöneberg: „Ich kann doch die Proben nicht selbst zum Labor oder zum Gesundheitsamt bringen. Und mit der Post dauert es noch länger.“ Überhaupt verursache die Umsetzung des Pandemieplans unverhältnismäßig hohe Kosten. Das betreffe praxisinternen Isolierungsumbauten, aber auch die Schutzkleidung und Desinfektionsmittel.
Zusätzliche Verunsicherung schaffen seit einigen Wochen die neuen Richtlinien der Kassenärztlichen Vereinigung. Danach übernehmen die Kassen die Kosten für den PCR-Test nur, wenn es sich um sogenannte Risiko-Patienten handelt oder der Test für die richtige Therapie notwendig ist. „Diese Kriterien sind relativ kompliziert“, sagt Kinderarzt Fegeler.
Die Leidtragenden sind die Eltern. So sollte ein Vater aus Friedrichshain der Kita seines zweijährigen Sohnes eine ärztliche Bescheinigung vorlegen, wonach sein fiebriges Kind nicht an Schweinegrippe erkrankt sei. Doch die Ärztin erkärte dem erstaunten Vater, dass sie einen solchen Test nicht durchführen könne. „Ich habe das Kind dann etwas länger zu Hause gelassen“, sagt der Vater. Ob es Schweinegrippe hatte, weiß ich bis heute nicht. Und den offiziellen Zahlen kann man wohl auch nicht mehr trauen.“
Die weisen insgesamt 406 Infizierte in Berlin aus, täglich kommen zurzeit ein bis drei Fälle hinzu. Allerdings rechnet das Robert-Koch-Institut mit einer neuen Welle im Herbst.
Quelle: bild.de, rp-online.de, focus.de, welt.de, berlinonline.de, AFP, mz-web.de, n-tv.de, sueddeutsche.de, spiegel.de, aerztezeitung.de, tagesspiegel.de.....
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