Deutschland bangt um einen Schweinegrippepatienten – ein Bonner ist schwer erkrankt. Das in solchen Fällen eingesetzte Medikament Tamiflu wirkt zwar gegen die H1N1-Viren. Aber wie lange können Ärzte dem Grippemittel noch vertrauen? In Amerika, Kanada, Japan und anderen Ländern gab es bereits Fälle von Resistenzen. Laufen wir Gefahr, dass auch bei uns die beiden einzigen Grippemedikamente Tamiflu mit dem Wirkstoff Oseltamivir und Relenza mit dem Wirkstoff Zanamivir ihre Wirksamkeit verlieren? Der Virologe Professor Hermann Schätzl von der Technischen Universität München beantwortet unsere Fragen.
Wie groß ist die Gefahr einer Resistenz der Schweinegrippeviren gegen unsere Medikamente?
Es kommt darauf an, wie oft die Wirkstoffe eingenommen werden. Je häufiger sie zum Einsatz kommen, desto eher werden die Viren Resistenzen entwickeln. Die Erreger der Schweinegrippe gehören zu den Influenza-A-Viren. Von diesen ist bekannt, dass sie sich immer leicht verändern. Momentan scheint das Virus aber noch relativ stabil zu sein. Kein Mensch weiß, wie lange sie noch sensibel gegen Tamiflu und Relenza bleiben.
Warum werden die Wirkstoffe unwirksam?
Eine Grippe läuft vereinfacht so ab: Die Viren befallen menschliche Zellen und zerstören diese dann. Das löst die Symptome aus. Die frei gewordenen Viren befallen daraufhin weitere Zellen. Je mehr Virus in einem Menschen steckt, desto stärker ist die Krankheit.
Tamiflu und Relenza verhindern, dass das Virus wieder aus der befallenen Zelle herauskommt, so dämmen sie die Ausbreitung ein. Die Viren können nun dergestalt mutieren, dass sie diesen Wirkmechanismus umgehen. Das Medikament verliert seine Wirkung. Je häufiger Viren mit einem Medikament in Kontakt kommen, desto schneller können sich derartige Veränderungen entwickeln. Tamiflu und Relenza sind ja normale Grippemedikamente. In den USA und Kanada wurden sie bereits so oft eingesetzt, dass Tamiflu bei der dortigen saisonalen H1N1-Grippe zu 90 Prozent unwirksam geworden ist.
Wann ist die Einnahme sinnvoll?
Es gibt nur zwei Fälle, die den Einsatz rechtfertigen. Erstens einen sehr schweren Krankheitsverlauf. Das kommt bei der Schweinegrippe eher selten vor, oft verläuft sie sehr mild. Der zweite Grund ist die Verhinderung einer generellen Ausbreitung des Virus. Dafür ist es im Fall der Schweinegrippe bereits viel zu spät. Also sollten Ärzte Tamiflu und Relenza wirklich nur geben, wenn ein Risikopatient erkrankt oder wenn es dem Patienten sehr schlecht geht.
Wie handeln Ärzte, wenn bei einem Patienten Tamiflu nicht wirkt?
In der Regel greift man dann auf Relenza zurück. In den meisten Fällen sind die Viren nicht gegen beide Wirkstoffe resistent.
Kann Tamiflu bei einem Menschen von Geburt unwirksam sein?
Nein, das kann nicht passieren. Der Wirkstoff Oseltamivir hat seinen Angriffspunkt direkt bei den Viren. Nicht beim menschlichen Organismus. Also wird auch keine Person gegen Tamiflu resistent, sondern ausschließlich Viren. Wenn das geschehen ist, dann können die mutierten Viren ein nächstes Opfer infizieren und auch bei diesem Patienten ist das Medikament dann unwirksam. In seltenen Fällen kann sich die Resistenz der Viren wieder zurückbilden, das ist aber in der Regel nicht der Fall.
Sollte man Tamiflu prophylaktisch einnehmen?
Auf keinen Fall. Wie schon gesagt gibt es nur sehr spezielle Fälle, die den Einsatz rechfertigen. Je seltener Tamiflu verschrieben wird, desto länger bleibt es wirksam. Eine Ausnahme, die einen prophylaktischen Einsatz erlaubt, bilden zum Beispiel Menschen, die direkt Schweinegrippepatienten behandeln. Wir sprechen hier auch von einer Postexpostionsprophylaxe.
Eine großflächige Behandlung ist auch rein technisch völlig unmöglich. Eine Packung des Medikamentes enthält zehn Tabletten. Wie soll die ganze Nation beispielsweise 20 Tage lang jeden Tag einmal täglich das Medikament einnehmen? Dafür gibt es überhaupt keine Ressourcen.
Quelle: bild.de, rp-online.de, focus.de, welt.de, berlinonline.de, AFP, mz-web.de, n-tv.de, sueddeutsche.de, spiegel.de, aerztezeitung.de.....
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