Der Erreger der Schweinegrippe ist britischen Forschern zufolge wesentlich ansteckender als bisher bekannt. Sie haben errechnet, dass allein in Mexiko die Zahl der Infektionen das Drei- bis Zehnfache der offiziellen Angaben betragen könnte - die Pandemie-Warnungen seien völlig berechtigt.
Mexiko-Stadt - Langsam zeichnet sich ein Bild des Schweinegrippe-Erregers H1N1 ab - und es ist nicht wirklich beruhigend. Einige Wochen nach dem Ausbruch der Seuche, die inzwischen auch als "Neue Influenza" bezeichnet wird, beginnen Forscher zu verstehen, wie genau sich der Erreger ausbreitet. Eine neue Studie legt jetzt nahe, dass die Zahl der Infektionen weit höher liegen könnte als bisher angenommen.
In Mexiko habe die Zahl der Erkrankten bereits am 30. April bei 6000 bis 23.000 gelegen, schreiben Forscher um Neil Ferguson vom Imperial College in London im Fachmagazin "Science". Die Wissenschaftler hatten statistische Modelle mit Daten über internationale Reisemuster und Infektionen gefüttert. Stimmen die Ergebnisse, dann könnte der Erreger allein in seinem vermutlichen Ursprungsland zehnmal so viele Menschen befallen haben wie offiziell bestätigt. Mexikos Behörden sprechen derzeit von 2059 Erkrankten und 56 Toten.
In den benachbarten USA bezifferten die Gesundheitsbehörden die Zahl der bestätigten Fälle der Schweinegrippe mit 2600. Anne Schuchat vom amerikanischen Seuchenkontrollzentrum CDC schränkte allerdings bereits ein, die Zahl der bestätigten Grippefälle sei vermutlich nur "die Spitze des Eisbergs".
Fergusons Team unterstützt in seinem "Science"-Beitrag ausdrücklich die Linie der Weltgesundheitsorganisation WHO, die auf der Pandemie-Warnskala die Stufe fünf von sechs ausgerufen hat. Bei den vorliegenden Ausbreitungszahlen sei diese Entscheidung angemessen, so die Forscher. "Es ist ein Virus, das mit ziemlicher Sicherheit eine globale Epidemie auslösen wird", sagte Ferguson dem Onlinedienst "Nature News". "Aber es ist nicht das Katastrophenszenario, das Menschen im Fall der Vogelgrippe befürchtet hatten."
Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass der aktuelle Influenza-Erreger H1N1 ansteckender ist als die normale, saisonale Grippe. Etwa 0,4 bis 1,4 Prozent der Infizierten sterben der Studie zufolge an der Schweinegrippe. Das Virus scheine in etwa genauso gefährlich zu sein wie die H1N1-Variante von 1957. Damit - und das ist wenigstens eine gute Nachricht - wäre es deutlich weniger aggressiv als die Spanische Grippe von 1918/19. Ihr fielen schätzungsweise 40 bis 50 Millionen Menschen zum Opfer.
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