Schweiz: «Wir sind von der Spitze der Grippewelle noch weit entfernt»

Ab 17 Uhr informierte Thomas Zeltner vom Bundesamt für Gesundheit über die jüngste Entwicklung der Schweinegrippe und sprach der Familie des ersten Todesopfers sein Beileid aus.

Die Versorgung der Schweiz mit Schweinegrippe-Impfstoff ist nach den Worten des Direktors des Bundesamts für Gesundheit (BAG) im internationalen Vergleich sehr gut. Die Zahl der Grippefälle steige nach wie vor stark, sagte Thomas Zeltner am Mittwoch in Bern. Trotz des ersten Todesfalls mochte er nicht von einer Krise sprechen.

Anfang nächster Woche stünden rund 2,3 Millionen Dosen zur Verfügung, und bis zum Ende der Woche dürften es etwa drei Millionen Dosen sein, sagte der BAG-Direktor vor den Medien. Die grosse Mehrheit der Kantone sollte in der nächsten Woche damit mit der Impfung für alle beginnen können. Die Unterschiede in der Versorgung mit Impfstoff bei den Kantonen und die Unterstützung so genannter «Problemkantone» sind gemäss Zeltner Thema von regelmässigen Telefonkonferenzen des BAG mit den Kantonsärzten.

«Es brodelt»

Die grösste Belastung habe zurzeit die Ärzteschaft zu bewältigen. «An der Basis der Ärztzeschaft brodelt es», sagte Zeltner. Ärzte berichteten, sie könnten neben dem normalen Praxisbetrieb nicht zehn bis 20 zusätzliche Personen für die Impfung empfangen. Dieses Problem soll nun zwischen den Kantonsärzten und den lokalen Ärztegesellschaften angegangen werden. Einfacher ist es in den Kantonen mit Impfzentren.

Zeltner ging auch auf die Sorgen vieler Eltern nach dem ersten Todesfall eines Kleinkinds ein. Er schloss sich den Empfehlungen des Chefs der Kinderärzte an und riet dazu, Kleinkinder im Alter von unter sechs Monaten, die nicht geimpft werden können, etwas zu isolieren und nicht jeder Tante und jedem Onkel in den Arm zu geben. Die Umgebung der Säuglinge sollte sich zudem wenn immer möglich impfen lassen.

Morgen gibts die aktuellsten Zahlen

Neue Zahlen zur Ausbreitung der Pandemie will das Bundesamt am (morgigen) Donnerstag veröffentlichen. Gemäss Zeltner befindet sich die Schweiz nach wie vor in einer scharf ansteigenden Phase. Es müsse weiterhin mit einer steigenden Zahl von Hospitalisierungen gerechnet werden. Auch die Zahl der Intensivpflegefälle werde wohl zunehmen, und vielleicht werde es weitere Todesfälle geben. Von einer nationalen Krise will man beim BAG aber nicht sprechen. Auch hat sich nichts an der Einschätzung geändert, dass die Schweinegrippe bei gesunden Menschen in der Regel moderat verläuft und sich absolut mit einer saisonalen Grippe vergleichen lässt. Fünf Tage im Bett mit Aspirin und viel Tee genüge oft, auch ohne Arztbesuch, sagte der BAG-Direktor.

Epidemie-Experte Patrick Mathys vom BAG sagte zum Schluss der Pressekonferenz noch: «Wir sind von der Spitze der Grippewelle noch weit entfernt.»

Die letzten Nachrichten zur Schweinegrippe vor der Medienkonferenz:

  • Die Impfung gegen Schweinegrippe hat möglicherweise Nebenwirkungen. Zwei Personen erlitten nach der Spritze eine allergische Reaktion und mussten vorübergehend stationär überwacht werden. Eine Schwangere erlitt drei Tage nach der Impfung eine Totgeburt. Ob tatsächlich die Impfung der Grund gewesen sei, müsse noch abgeklärt werden.
  • Die Schweinegrippe hat in der Schweiz ihr erstes Todesopfer gefordert: Ein gesundheitlich geschwächtes Baby erlag im Baselbiet einer Lungenentzündung. Um auch die Schwächsten zu schützen, empfiehlt der Bund der Gesamtbevölkerung nun eine rasche Impfung.
  • Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) rät den Kantonen, die Impfung im Rahmen der verfügbaren Dosen auch für Personen vorzusehen, die nicht zu den Risikogruppen gehören. Die Risikogruppen hätten jedoch weiterhin Vorrang.
  • Ab sofort möglich ist die Impfung gegen die Schweinegrippe in den Kantonen Freiburg, Obwalden und Schaffhausen. Im Kanton Thurgau und im Kanton Zürich können sich Interessierte vom morgigen Donnerstag an impfen lassen. Die Zürcher Gesundheitsdirektion weist aber darauf hin, dass vor allem der Impfstoff für Erwachsene derzeit in den Arztpraxen nur beschränkt verfügbar ist, da in der Verteilung zu wenig versandbereiter Impfstoff zur Verfügung stehe. Im Kanton St. Gallen soll die zweite Impfphase am kommenden Freitag beginnen. Auch im Bündnerland können sich noch diese Woche alle Interessierten impfen lassen. Wann die Praxen beliefert werden, ist aber unterschiedlich. Weiterhin knapp bleibe der Impfstoff Focetria.
  • Das EDI erinnerte daran, dass die Schweiz seit vergangenem Freitag über drei Arten von Impfstoffen gegen die pandemische Gruppe verfügt, die von Swissmedic zugelassen sind: Focetria, Pandemrix und Celtura. Bis Mitte Dezember hätten die Kantone über 8,5 Millionen Impfdosen.
  • Von grossen logistischen Problemen bei der Verteilung des für die Risikogruppen reserviert gewesenen Impfstoffs berichtete gleichentags der Kanton Schwyz. Was bei der Bundesplanung nach sauberer Zuteilung und gerechter Verteilung ausgesehen habe, habe sich in ein Verteilchaos gewandelt nach dem Motto «Wer zuerst kommt, räumt ab», kritisierte das kantonale Innendepartement.

Quelle: bild.de, rp-online.de, focus.de, welt.de, berlinonline.de, AFP, mz-web.de, n-tv.de, sueddeutsche.de, spiegel.de, aerztezeitung.de, bazonline.ch.....