Was der Test auf H1N1 bringt

colourbox
Influenza wird mit Rachenabstrichen und Labortests nachgewiesen

Fieber, Husten, Kopf- und Gliederschmerzen – wenn der Arzt sich jetzt weigert, einen H1N1-Test zu machen, reagieren viele Patienten entsetzt. Dabei hat er gute Gründe.
Von FOCUS-Online-Autor Wolfgang Müller

„In unserem Wohnort geht die Schweinegrippe rum“, leitet User „hfemw“ seine Frage ein, die er an die Besucher eines Internetforums richtet. Dann schildert er seine Verwunderung: Ein Arzt wollte seine Bekannte nicht auf H1N1 testen, obwohl sie typische Symptome aufwies: Fieber, Gliederschmerzen und Schlappheitsgefühl. Anscheinend hielt der Mediziner den Test für unnötig. Aber warum?

Tatsächlich führen niedergelassene Ärzte nur noch selten einen Rachenabstrich bei Patienten mit Verdacht auf Schweinegrippe durch, um die Probe an ein Testlabor weiterzuleiten. Meist bleibt es beim klinischen Befund: Symptome wie Schleimfärbung, Fieber, starker Hustenreiz oder Lungengeräusche verraten dem Arzt, ob sein Patient eine Influenza hat. Ob es die saisonale Influenza ist oder die Schweinegrippe, bleibt damit aber unerforscht. Dennoch sprechen mehrere Gründe für diese Vorgehensweise.

Das erste Argument, das gegen Tests spricht, ist der geringe Wert für zutreffende Diagnosen: Wer derzeit Grippe hat, hat in aller Regel die Schweinegrippe. „Die Wahrscheinlichkeit, dass der Patient an H1N1 erkrankt ist, liegt sehr hoch, womöglich bei 90 Prozent“, sagt Nikolaus Frühwein, niedergelassener Allgemeinarzt und Infektiologe aus München und Vorsitzender der Bayerischen Gesellschaft für Immun-, Tropenmedizin und Impfwesen. Diese These untermauern Zahlen der Arbeitsgemeinschaft Influenza (AGI) für die 46. Kalenderwoche: Für alle 177 getesteten Speichel- und Schleimproben, die Influenzaviren enthielten, bestätigte die genauere Analyse den Verdacht auf H1N1, heißt es auf den Seiten der vom Robert Koch-Institut (RKI) wissenschaftlich geleiteten Arbeitsgemeinschaft.

Tests besonders für Behandlung von Risikopatienten relevant

Das zweite Argument gegen einen verbindlichen Test auf H1N1: Für die Influenzatherapie ist es unerheblich, welcher Grippeerreger im Patientenkörper tobt. Ohnehin können nur Medikamente wie Tamiflu oder Relenza helfen. Ärzte wägen im Einzelfall ab, ob sie die Mittel einsetzen. Patienten mit hohem Risiko für eine gefährlich verlaufende Grippe stehen im Fokus ihrer Überlegungen. „Die Tests und der Einsatz von Grippemedikamenten sind vor allem für Risikogruppen sinnvoll“, sagt Frühwein. „Ich führe sie nur durch, um zu entscheiden: Wende ich die Mittel an oder nicht?“ Mehr als 36 Stunden nach dem Ausbruch der Krankheit können aber auch Tamiflu und verwandte Produkte nichts mehr ausrichten. Dann verschreibt Frühwein meist Bettruhe. „90 Prozent der Patienten kommen erst nach zwei Tagen. Denen sage ich: Bleiben Sie daheim und kurieren Sie sich aus“, erklärt der Experte.

Aus Sicht der Patienten gibt es noch ein drittes Argument, das gegen den Test spricht: Sofern sie nicht als Risikopatienten gelten, müssen sie den Test selbst bezahlen. „Die Kasse zahlt nur dann, wenn der Arzt den Test für nötig hält, um eine Therapie einleiten zu können. Das kann bei Risikopatienten der Fall sein“, sagt eine Sprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB). Nikolaus Frühwein gibt an, ein Test koste etwa 160 Euro, wobei mit „Test“ immer ein sogenannter PCR-Test in einem Labor gemeint ist und kein Schnelltest. Schnelltests seien inzwischen nicht mehr verbreitet, sie hätten vor allem anfänglich bei der statistischen Erfassung der ersten Schweinegrippefälle eine Rolle gespielt.

Fehlende Tests bedeuten fehlende statistische Angaben

Ein Argument würde allerdings für neue Tests sprechen: Das Argument der Wissenschaft, die ein berechtigtes Interesse daran hat, den genauen Verlauf und die Ausbreitung der Schweinegrippe in der Bevölkerung zu erforschen. Derzeit ist es so, dass die Mehrzahl der Schweinegrippekranken nicht in die offizielle Statistik eingeht. Denn die bisher etwa 87 000 gemeldeten Fälle beziehen sich auf Labortests. Die Ärztepflicht, auch Verdachtsfälle zu melden, ist kürzlich weggefallen. „Wir haben derzeit keinen Test, um im Nachhinein festzustellen: Hat jemand H1N1 gehabt oder nicht? Ein solcher Test wäre aber nach meiner Auffassung wichtig, um nachzuweisen, wie stark das Virus die Bevölkerung durchdringt“, sagt Frühwein.

Eine Sprecherin des Robert Koch-Instituts in Berlin bestätigt das derzeit klaffende Loch in der Statistik: „Ein größerer Teil der Patienten wird nicht getestet. Es gibt dadurch eine Untererfassung. Wir wissen nicht, wie groß sie ist.“ Allerdings bestehe großes Interesse an einem kommerziellen Test, mit dem sich auch im Nachhinein feststellen lässt, ob jemand an H1N1 erkrankt war. Einen Ansatz für einen solchen Nachweis böten die Antikörper, die Schweinegrippepatienten bilden. Die RKI-Sprecherin deutet an, dass solche Nachweisverfahren nicht leicht realisierbar sind: „Diese Tests sind nicht ganz trivial“, sagt sie.

Quelle: bild.de, rp-online.de, focus.de, welt.de, berlinonline.de, AFP, mz-web.de, n-tv.de, sueddeutsche.de, spiegel.de, aerztezeitung.de.....