Das Schweinegrippe-Virus stammt von dem tödlichen Erreger der Spanischen Grippe ab
Vor kurzem hat die Weltgesundheitsorganisation das getan, wovor sie sich lange gescheut hat: Sie rief die Schweinegrippe als neue Pandemie aus. Der derzeit kursierende Erreger H1N1 gilt damit offiziell als länderübergreifende Gefahr. Doch eigentlich lebt die Menschheit schon seit dem Ersten Weltkrieg in einer ständigen Grippe-Pandemie, schreiben jetzt drei Influenza-Experten in der Fachzeitschrift New England Journal of Medicine (Bd. 361, S. 225, 2009).
In den Jahren 1918 und 1919 etablierte sich ein ausgesprochen gefährliches H1N1-Virus. Es stammte von Vögeln und griff erst auf Menschen und von ihnen dann bald auf Schweine über. 1918 klagten Züchter, die ihre Sauen und Eber bei der Cedar Rapids Swine Show in Iowa präsentierten, erstmals über eine Art Grippe bei ihren Tieren, berichtet ein anderes Forscherteam von der Universität von Pittsburgh in derselben Zeitschrift (Bd. 361, S. 279). Unter den Menschen forderte das H1N1-Virus als sogenannte Spanische Grippe zwischen 25 und 50 Millionen Todesopfer. Dann ebbte die Krankheitswelle wieder ab.
"Dieses Virus begründete aber eine Viren-Dynastie, die bis heute fortbesteht", schreiben Jeffery Taubenberger, David Morens und Anthony Fauci von den Nationalen Gesundheitsinstituten der USA jetzt. Das aktuelle Schweinegrippe-Virus sei nur eine weitere Manifestation dieser beständigen Virenfamilie. Alle an den Menschen angepassten Viren vom Typ Influenza A (dazu gehören quasi alle Viren der letzten 150 Jahre) seien Abkömmlinge dieses einen Virus, sagt Jeffery Taubenberger. Dies gelte sowohl für die Verursacher der insgesamt vier Pandemien als auch für die alljährlichen Grippewellen im Winter. "Wir können also sagen, dass wir in einer Pandemie-Ära leben, die 1918 begann", so die Forscher. Und es sehe nicht so aus, als würde diese bald enden. Dem stimmt auch Stephan Becker von der Universität Marburg zu. "H1N1 hat uns seit der Spanischen Grippe ständig begleitet", sagt der Virologe.
Die Hartnäckigkeit des Erregers und seiner Nachfahren überrascht auch vor einem anderen Hintergrund: Grundsätzlich stehen Influenza-Viren Gene für 16 verschiedene H-Moleküle und neun verschiedene N-Moleküle zur Verfügung, die ihnen ihre Subtyp-Bezeichnung geben. Das macht 144 mögliche HN-Kombinationen. Doch Menschen wirklich gefährlich wurden bislang nur drei Subtypen - nämlich H1N1, H2N2 und H3N2. Andere Kombinationen wie das seit Jahren argwöhnisch beäugte Vogelgrippe-Virus H5N1 hätten Menschen bisher nur ausnahmsweise befallen und seien auf Tiere spezialisiert geblieben, betonen Taubenberger und seine Kollegen. "Es sieht so aus, als wären diese drei Subtypen für eine Pandemie besonders prädestiniert", meint auch Stephan Becker. "Aber darauf verlassen kann man sich nicht." So könne H5N1 noch stets vom Vogel- zum Menschen-Virus werden.
Auch wenn die Bedrohung durch H1N1 und seine Nachfahren nie wirklich aufgehört hat - eine gute Nachricht gebe es, meinen die drei amerikanischen Virologen: Die großen Grippewellen seien in den vergangenen 90 Jahren immer weniger gefährlich geworden. Dies sei zum Teil auf den medizinischen Fortschritt zurückzuführen. Es sei aber auch Folge der Evolution des Krankheitserregers. Schließlich sei es für ein Virus vorteilhaft, wenn es sein Opfer nicht allzu schnell tötet. Solange das Opfer noch herumläuft und andere Menschen trifft, gibt es das Virus nun einmal viel besser an andere weiter. CHRISTINA BERNDT
Quelle: bild.de, rp-online.de, focus.de, welt.de, berlinonline.de, AFP, mz-web.de, n-tv.de, sueddeutsche.de.....
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