Dresden (dpa) - Nach Einschätzung des Dresdner Internisten Prof. Gerhard Ehninger könnte etwa ein Viertel bis zur Hälfte der Menschen in Deutschland an Schweinegrippe erkranken.
«Trifft die saisonale Grippe meist Ältere und Kleinkinder, sind es diesmal vor allem unter 45-Jährige», sagte der Chef der Medizinischen Klinik I am Universitätsklinikum Dresden im Gespräch mit der Deutschen Presse- Agentur dpa. Von einer besonderen Gefährdung sei jedoch derzeit überhaupt nicht auszugehen. «Bei gesunden Menschen sind schwere Verläufe eine absolute Seltenheit», betonte Ehninger.
Der Verlauf dieser Grippe sei in gut entwickelten Gesundheitssystemen vergleichbar mit einer normalen Grippewelle. «Wir gehen anhand von Daten aus den USA davon aus, dass ein Drittel derer, die die Krankheit haben, das nicht merken und gar keine Symptome entwickeln», sagte Ehninger. Bei Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen könne sie allerdings lebensbedrohlich werden, dazu zählt Ehninger Lungenerkrankungen, Asthma oder andere Atemprobleme. Forderungen an Bund und Länder, vorab Impfstoff gegen Schweinegrippe für alle Einwohner zu ordern, seien überzogen.
«Im Augenblick besteht die größere Gefahr darin, dass bei harmlosem Fieber, Husten und Schnupfen bereits Tamiflu oder andere virushemmenden Mittel gegeben werden.» Diese Therapie wirke aber nicht bei Erkältung und habe hohe Nebenwirkungen, warnte er. «Zehn Prozent der Einnehmenden haben Probleme mit dem Magen-Darm-System oder dem Zentralnervensystem, was unter anderem zu Verwirrtheit führt. Ich kann nur warnen, solche Medikamente vorbeugend zu verschreiben.» Sie sollten nur bei schweren nachgewiesenen Grippe- Fällen eingesetzt werden. Tamiflu wirke nur, wenn es innerhalb von 24 Stunden nach Beschwerdeausbruch genommen werde.
«Momentan werden wir von verängstigten Menschen überrannt, die Schnupfen und Husten haben», erzählte Ehninger. Da reiche es, einen Arzt anzurufen und zu Hause zu bleiben. Sie blockierten nun jedoch die Notaufnahme, so dass Schwerkranke nicht schnell genug versorgt werden könnten. «Ich habe meine Mitarbeiter angewiesen, jeden, der mit Grippebeschwerden ohne Atemnot kommt, nach Hause zu schicken und nicht mehr stationär aufzunehmen.» Für die Schweinegrippe typisch seien schweres und plötzlich auftretendes Krankheitsgefühl, Fieber und Kopfschmerzen. «Wenn dann noch Atemnot dabei ist, sollte man sich zügig im Krankenhaus vorstellen.»
Das Gesundheitssystem müsse von unnötigen Untersuchungen und angstgetriebenen Maßnahmen entlastet werden. «Die, die sich krank fühlen mit Husten und Fieber, sollten nicht arbeiten gehen», sagte er. «Nichts ist schlimmer, als ein fitter Kranker der durch die Gegend läuft und im Vorbeigehen jemanden anstecken kann.» Wenn aber ein Kind unter zwei Jahren Fieber entwickelt und Symptome habe, müsse ein Arzt hinzugezogen werden. «Grippe ist eine Krankheit, mit der sich die Menschheit schon immer beschäftigen musste.» Ob der bisherigen Entwicklung der Schweinegrippe könne man aber sagen: «Lasst die Kirche im Dorf!»
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