Arzt untersucht bei Schweinegrippe-Verdacht draußen

Von Jürgen Voges 23. Juli 2009, 04:00 Uhr

Mediziner schützt sich auf ungewöhnliche Art vor Ansteckung - Niedersachsen hat bundesweit höchste Zahl an Infizierten

Hannover - "Menschen, die eine Schweinegrippe bei sich für möglich halten, haben keinen Zutritt zur Praxis." Seit Anfang der Woche prangt ein Schild mit dieser Aufschrift an der Praxistür des Hannoverschen Arztes Dr. Helmut Beermann. Möglicherweise mit der neuen Influenza infizierten Patienten will der Allgemeinmediziner ärztliche Hilfe dennoch keineswegs verweigern: "Bitte vier Mal Klingen und im gebührenden Abstand draußen warten!", empfiehlt das Schild weiter. Wenn das spezielle Influenza-Klingelsignal ertönt, zieht sich der Arzt Handschuhe über, legt den Mundschutz an und geht persönlich zur ersten Untersuchung nach draußen vor die Praxis.

"Ich mache dann eine Kurzanamnese vor der Tür", sagt er. Wenn sich dabei der Influenza-Verdacht erhärte, werde die Tür seines Wartezimmers geschlossen und der betroffene Patient daran vorbei direkt in ein separates Behandlungszimmer geführt. "Ich muss mich selbst und die anderen Patienten vor einer Infektion schützen", betont Beermann.

Vier Patienten mit Verdacht auf neue Influenza hat der Allgemeinmediziner seit Montag bereits draußen vor der Praxis einer Erstuntersuchung unterzogen. In allen vier Fällen konnte er allerdings sogleich Entwarnung geben. "Keiner der Patienten hat die typischen Symptome", sagt der Arzt. Das abschreckende Schild an der Praxistür finden die meisten Patienten nach Angaben des Arztes "prima".

Rund jeder vierte an der neuen Influenza erkrankte Bundesbürger ist momentan ein Niedersachse, obwohl in dem Bundesland nur jeder zehnte Deutsche zu Hause ist. 1818 nachgewiesene Fälle der Schweinegrippe zählte das Robert-Koch-Institut bis einschließlich Dienstagnachmittag bundesweit, allein 516 Fälle das niedersächsische Landesgesundheitsamt. In Schleswig-Holstein sind es nur 77 Fälle. Von den kranken Niedersachsen steckten sich zwar die meisten auf Auslandsreisen an - nur 63 in Deutschland. Von 135 in der Region Hannover erkrankten Patienten haben sich immerhin 22 daheim infiziert.

Der Präsident des niedersächsischen Landesgesundheitsamtes, Matthias Pulz, hält denn auch den Grundgedanken für richtig, der hinter dem zunächst abschreckenden Praxisschild steckt. "Allerdings kann man das gleiche auch dezenter erreichen", meint er. Patienten mit Influenza-Befürchtungen werde empfohlen, zunächst in der Arztpraxis anzurufen. "Der Arzt kann dann am Telefon mit dem Patienten einen Zeitpunkt zur separaten Behandlungen vereinbaren", sagt Pulz.

Besonders von Wartezimmern, in denen sich ja bereits kranke und geschwächte Menschen aufhalten, soll man Pulz zufolge Influenza-Infizierte fernhalten. "Gerade bei geschwächten Menschen kann die eigentlich milde verlaufende Infektion zu schwereren Erkrankungen führen", sagt der Präsident des Landesgesundheitsamtes.

Für die relativ hohe Zahl der Infektionen in Niedersachen hat der Chef des Landesgesundheitsamtes eine relativ einfache Erklärung. Zwischen Harz und Nordsee starteten die Schüler bereits am 24. Juni in die Sommerferien. Von den 516 erkrankten Niedersachsen haben sich allein 363 in Spanien, vor allem auf Mallorca, infiziert. "In zwei, drei Wochen sieht die Verteilung der Infizierten ganz anders aus - dann werden auch andere Bundesländer stark wachsende Infektionszahlen haben", prognostiziert Pulz.

Quelle: bild.de, rp-online.de, focus.de, welt.de, berlinonline.de, AFP, mz-web.de, n-tv.de, sueddeutsche.de, spiegel.de, aerztezeitung.de.....