Von Heike Le Ker
Die Schweinegrippe breitet sich rasend schnell unter Menschen aus, spielte aber bei Schweinen bislang kaum eine Rolle. Jetzt haben Forscher gezeigt, dass die Tiere erkranken, die Viren effizient weitergeben und neue, gefährliche Erreger entstehen lassen können.
Die aktuelle Influenza-Pandemie trägt zwar ihren Namen, doch bislang war nicht belegt, dass auch Schweine am derzeit kursierenden H1N1-Virus erkranken können. Jetzt ist der Beweis erbracht, berichten Wissenschaftler des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) auf der Ostsee-Insel Riems, die fünf Schweine infiziert und den Krankheitsverlauf beobachtet haben.
Zu Beginn der Epidemie gingen Seuchenexperten davon aus, dass das Virus von Schweinen stamme. Dafür fehlen aber weiterhin die Beweise. Allerdings hatte ein Handwerker aus Kanada, der sich in Mexiko vermutlich mit H1N1 infiziert hatte, Schweine vermutlich bei Arbeiten in einem Stall infiziert.Weil es bislang kaum verfolgbare Fälle von H1N1-Infektionen bei Schweinen gab, haben sich die Riemser Forscher nun ein Beobachtungsfeld unter Laborbedingungen geschaffen. Das Team um Thomas Vahlenkamp, der das Institut für Infektionsmedizin am FLI leitet, infizierte fünf Tiere mit den Viren. Schon einen Tag später schieden die Schweine die Viren aus, wie die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift "Journal of General Virology" berichten. Die Tiere entwickelten typische, milde Grippesymptome, unter denen auch H1N1-infizierte Menschen leiden: Niesen, Schnupfen, Fieber und Durchfall.
Zwar kommen H1N1-Viren bereits bei Schweinen in Europa vor. Doch die Erreger unterscheiden sich vom derzeit unter Menschen kursierenden Erreger. Laut Vahlenkamp beinhaltet das aktuelle Virus zwei Proteine mit unterschiedlicher Herkunft: Das sogenannte Hämagglutinin (H) kommt von nordamerikanischen H1N1-Viren beim Schwein, die Neuraminidase (N) von eurasischen Viren. "Wir haben somit europäische Schweine mit einem Virus infiziert, das nach derzeitigem Kenntnisstand so bei Schweinen nicht vorkommt", sagte Vahlenkamp zu SPIEGEL ONLINE.
Mehr als 100.000 Schweinegrippefälle weltweit
Die Wissenschaftler hatten auch drei gesunde Schweine und fünf Hühner zu den infizierten Schweinen in den Stall gesteckt. Bereits drei Tage später schieden auch die gesunden Schweine die Viren aus, tags darauf zeigten sie die Grippesymptome. "Schweine übertragen die Infektion sehr effizient auf nicht-infizierte Kontaktschweine", kommentiert Vahlenkamp. Die Vögel allerdings blieben gesund - warum, wissen die Forscher nicht.
Wichtig sei daher, streng darauf zu achten, dass Grippekranke nicht mit Schweinen in Kontakt kommen, um eine Ausbreitung unter den Tieren zu vermeiden. Denn das Schwein ist wegen seines Immunsystems, das dem des Menschen ähnelt, gefürchtet als Mischgefäß, in dem Viren mutieren oder sich mit anderen Erregern rekombinieren könnten. "Am wahrscheinlichsten wären Rekombinationen mit den beim Schwein endemisch vorkommenden Influenzaviren", so Vahlenkamp. Würde ein derartig veränderter Erreger wieder auf den Menschen überspringen, könnte er eine weitaus gefährlichere Pandemie auslösen als die aktuelle.
Die Zahl der weltweit registrierten Schweinegrippefälle ist aktuell auf über 100.000 gestiegen. Schwerpunkt sind nach jüngsten Daten der EU-Seuchenbehörde ECDC (European Centre for Disease Prevention and Control) weiterhin die USA mit 34.000 registrierten Erkrankungen seit Ende April und Mexiko mit mehr als 10.000. In Nordamerika verzeichnete die Behörde zudem etwa drei Viertel der 441 Todesfälle.
Am Donnerstag hat die Seuche das Saarland erreicht - das einzige deutsche Bundesland, das bisher noch keinen Fall gemeldet hatte. Es handele sich um eine 24-jährige Frau, die nach ihrem Urlaub auf Mallorca entsprechende Symptome gezeigt habe, teilte der saarländische Gesundheitsminister Gerhard Vigener (CDU) mit. Nach Auskunft des Robert-Koch-Instituts wurden in Deutschland bis Donnerstag 641 Schweinegrippe-Infektionen gemeldet, die meisten davon seien mild verlaufen. Mehr als die Hälfte dieser Patienten hat sich innerhalb Deutschlands angesteckt.
Die bislang beobachteten drei Fälle von Resistenzen des Erregers gegen das Grippemittel Tamiflu bereiten der WHO derzeit kein Kopfzerbrechen. "Es handelt sich um vereinzelte Fälle, und wir haben keine Beweise für eine weitergehende Ausbreitung", sagte der WHO-Generaldirektor für Gesundheitssicherheit und Umwelt, Keiji Fukuda. Die Resistenzen, die bei bereits wieder gesunden Patienten in Dänemark, Japan und Hongkong aufgetreten sind, seien durch Mutationen entstanden. Es handele sich aber nicht um eine Verbindung mit derzeit zirkulierenden saisonalen Grippeviren. Tamiflu-Hersteller Roche hatte betont, ein geringer Anteil von Resistenzen sei zu erwarten gewesen und werde stets auch bei der saisonalen Grippe beobachtet.
Quelle: bild.de, rp-online.de, focus.de, welt.de, berlinonline.de, AFP, mz-web.de, n-tv.de, sueddeutsche.de, spiegel.de.....
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