Bei einem dänischen Patienten zeigte das Grippe-Medikament erstmals keine Wirkung - Virologen sind davon nicht überrascht
Berlin - Die Schweinegrippe zieht weiter um den Erdball. Bisher hat das Virus nur in relativ wenigen Fällen aggressive Symptome hervorgerufen - doch gestern wurde zum ersten Mal ein Fall von Resistenz gegen das Grippemittel Oseltamivir (Handelsname Tamiflu) bekannt: Ein Däne, der Kontakt zu Erkrankten hatte, war an der neuen Grippe erkrankt. Tamiflu schlug bei ihm nicht an. Er wurde daraufhin mit dem Alternativmedikament Zanamivir (Handelsname Relenza) behandelt, teilten die dänischen Gesundheitsbehörden mit.
Dass Tamiflu früher oder später bei einigen Schweinegrippe-Patienten nicht wirken würde, erstaunt die Experten nicht weiter. Schon seit einigen Jahren gibt es immer wieder Veröffentlichungen darüber, dass H1N1-Viren durch den sogenannten Neuraminidasehemmer nicht gebremst werden können. "Schon vor dem Jahr 2007 war das aus Japan bekannt", sagt Susanne Glasmacher, Sprecherin am Berliner Robert-Koch-Institut (RKI).
Man dachte, die Resistenz käme daher, dass in Japan besonders viel Tamiflu eingesetzt wurde - und dass die Viren, ähnlich, wie es von Bakterien und Antibiotika bekannt ist, resistent gegen das Mittel werden. "Aber nach 2007 gab es aus vielen Ländern Berichte, dass Tamiflu-resistente H1N1-Viren gefunden wurden, obwohl das Medikament hier nur selten verordnet wurde." In der vergangenen Grippesaison 2008/09 traten nach WHO-Angaben rund um den Globus Resistenzen gegen Tamiflu bei den H1N1-Viren auf. Vermutlich war das eine Folge der normalen Evolution, die durch Mutation und Selektion auch auf Viren wirkt. Es muss nicht unbedingt der Selektionsdruck durch Tamiflu zur Verbreitung der resistenten H1N1-Viren geführt haben.
Die Resistenz-Liste der WHO für das vierte Quartal 2008, in dem ein anderes H1N1-Virus im Rahmen der saisonalen Grippe um den Globus zog, listet für Argentinien, die USA, Marokko, Frankreich, Italien, Großbritannien, Japan und Singapur in 99 bis 100 Prozent der beobachteten Fälle eine Resistenz gegen Tamiflu auf. Dass das Mittel bei der neuen Grippe bisher so gut zu wirken scheint, ist also vermutlich nur ein glücklicher Zufall.
"Es handelt sich bisher nur um einen Einzelfall", betont RKI-Sprecherin Glasmacher. Auch der Schweizer Tamiflu-Hersteller Roche erklärte, die Resistenzbildung bei einem Patienten bedeute nicht, dass das H1N1-Virus generell resistent gegen Tamiflu sei. David Reddy, der Leiter der Pandemie-Taskforce bei Roche, sagte, es handele sich bei dem dänischen Patienten um einen individuellen Fall, der innerhalb der 0,5-Prozent-Marge liege, die bei klinischen Versuchen mit dem Medikament in der Testphase ermittelt worden sei.
"Eine sichere Aussage, ob das so stimmt, können wir mangels verfügbarer Zahlen bisher nicht treffen", sagte allerdings Thorsten Wolff, Virologe am RKI. Weltweit wurde das neue H1N1-Virus nach WHO-Angaben bei knapp 70 900 Menschen nachgewiesen, 311 Menschen waren bis gestern Mittag daran gestorben, drei davon in Großbritannien und einer in Spanien. Der dänische Patient ist der bisher einzige, bei dem eine Resistenz nachgewiesen wurde. Er ist mittlerweile wieder gesund.
Dass Tamiflu bei ihm nicht wirkte, liegt daran, dass das Virus an Position 274 im Neuraminidasegen mutiert ist. Hier wurde infolge einer Mutation anstelle der Aminosäure Histidin die Aminosäure Tyrosin in das Enzym Neuraminidase eingebaut. Dadurch hat sich ein Protein, an dem das Enzym Neuraminidase sich normalerweise anlagert, verändert. Die Neuraminidase bewirkt normalerweise, dass Viren nach ihrer Vermehrung aus der Zelle freigesetzt werden und neue Körperzellen befallen können. Neuraminidase-Hemmer wir Tamiflu blockieren diesen Vorgang: Wirken sie, so können Viren die infizierten Zellen nicht mehr verlassen. Der Befall anderer Zellen des Patienten wird so verhindert.
"Dass, wenn Tamiflu nicht wirkt, Relenza die Vermehrung der Viren bremsen kann, liegt daran, dass dieses chemisch anders aufgebaut ist", sagt Wolff. Über den von GlaxoSmithKline hergestellten Wirkstoff gibt es bisher noch keine Resistenzberichte. Allerdings wird es nicht wie Tamiflu als Tablette hergestellt, sondern als Inhalationsspray.
Doch wenn im Notfall, einer Resistenz bei einem einzelnen Patienten, ein Alternativmedikament bereitsteht, besteht dann überhaupt ein Grund zur Sorge über die Tamiflu-Resistenz? "Dieser Fall aus Dänemark bedeutet zunächst einmal nur, dass das Virus in der Lage ist, resistent gegen Tamiflu zu werden", sagt Wolff. "Wir wissen aber ohnehin nicht, in wie vielen Fällen Oseltamivir bisher geholfen hat."
Nehmen Grippekranke gegen schwere Fälle der jährlichen saisonalen Grippe rechtzeitig Tamiflu ein, so können sie im besten Fall zwei Tage früher wieder zur Arbeit gehen als ohne das Medikament. Die neue Schweinegrippe verläuft in der Regel sehr milde. Ob Tamiflu den Verlauf der neuen Grippe bei Patienten mit leichten Symptomen überhaupt deutlich verbessert, ist bisher unklar. Und, wie RKI-Virologe Wolff erklärt: "Falls es weitere Infektionen mit resistenten Viren geben sollte, wird es wichtig sein zu beobachten, ob sich hier erschwerte Symptomatiken zeigen. In dem jetzigen Fall gibt es darauf bislang keinen Hinweis.
Quelle: bild.de, rp-online.de, focus.de, welt.de, berlinonline.de, AFP, mz-web.de, n-tv.de, sueddeutsche.de.....
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