Schweinegrippe breitet sich rasant aus

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Von Pia Heinemann
WHO meldet 100 000 Infizierte und 440 Tote - Kontrollen werden zu aufwendig - Neuer Virentyp in Kanada offenbar harmlos

Berlin - Bei der Schweinegrippe-Pandemie beginnt eine neue Phase: Offenbar erwägen die Bundesländer, an Flugpassagiere keine Fragebögen zu verdächtigen Grippesymptomen mehr auszuteilen. Im Grunde genommen würde dies das Vorgehen abbilden, was an vielen internationalen Flughäfen ohnehin bereits üblich ist. Das bisher sinnvolle Instrument, alle potenziell Infizierten zu befragen, sei nicht mehr handhabbar, zitierte gestern die "Bild"-Zeitung eine Sprecherin des nordrhein-westfälischen Gesundheitsministeriums. Künftig sollten nur noch diejenigen Fluggäste auf Schweinegrippe getestet werden, die im Flugzeug über entsprechende Symptome klagen.

Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) überarbeitet derzeit ihre Empfehlungen. "In Ländern, in denen die Schweinegrippe bereits aufgetreten ist, empfehlen wir nicht länger, von allen Infizierten Laborabstriche zur Analyse ins Labor zu schicken", sagte Keiji Fukuda, stellvertretender Generaldirektor der WHO. "Diese Länder sollten stattdessen verstärkt auf Folgeerkrankungen einer Grippe, also beispielsweise zu Lungenentzündungen, achten." Auch wenn nicht mehr alle Grippepatienten labortechnisch untersucht würden, sei eine ausreichende Überwachung möglich. Diese WHO-Empfehlung wurde in Deutschland bislang aber noch nicht übernommen. In Ländern, in denen bisher keine H1N1-Fälle registriert wurden, solle aber weiterhin jeder Verdachtsfall im Labor abgeklärt werden.

Zu den Resistenzen gegen das antivirale Mittel Oseltamivir (Tamiflu) sagte Fukuda: "Es handelte sich bisher immer um ein sporadisches Auftreten." Offenbar ist in den Resistenzfällen in Japan und Dänemark jeweils die gleiche Mutation aufgetreten. Bei dem Tamiflu-resistenten Patienten aus Hongkong ist bisher noch nicht klar, ob er sich bei einer tamifluresistenten Person angesteckt hat. Gestern wurde ein weiterer Fall einer Resistenz aus San Francisco bestätigt. Das amerikanische Seuchenkontrollzentrum CDC teilte mit, hier verlaufe die Grippe aber milde. In allen vier Fällen wirkte bisher das zweite antivirale Mittel Zanamivir (Relenza). "Zurzeit gibt es keinen Anlass, die Behandlungsstrategie von H1N1-Patienten zu verändern", sagte Fukuda. Ob die WHO eine Impfempfehlung gegen das Pandemievirus H1N1 herausgeben wird, entscheidet sich dieser Tage. Derzeit wird darüber noch beraten.

Kanada meldet indes das Auftreten eines völlig neuen Typs von Grippevirus bei Menschen: Zwei Arbeiter eines Mastbetriebes haben sich offenbar mit einem H1N1-Virus von Schweinen angesteckt. Es handelt sich aber nicht um das aktuelle Pandemievirus. Die Arbeiter sind mittlerweile wieder wohlauf, teilte das kanadische Gesundheitsministerium mit. Gesundheitsministerin Leona Aglukkaq sagte: "Das Gesundheitsrisiko für die breite Öffentlichkeit ist offenbar gering. Menschen, die bereits gegen die saisonale Grippe geimpft sind, sollten auch einen gewissen Schutz gegen dieses Virus haben."

Der bekannte pandemische Typ des H1N1-Grippevirus verbreitet sich nach wie vor sehr schnell. Auf der Südhalbkugel, wo gerade die Wintergrippesaison beginnt, verbreitet sich das Virus unterschiedlich: In Chile und später in Argentinien stieg die Zahl der Infizierten sprunghaft, in Afrika haben bisher zwölf Länder vereinzelte Erkrankungen gemeldet. "Die Grippesaison hat auf der Südhalbkugel aber gerade erst begonnen, deshalb können wir die Virenaktivitäten noch nicht abschließend beurteilen", sagte Fukuda. Nach Angaben der WHO sind mittlerweile weltweit mehr als 98 000 Menschen an dem Virus erkrankt und rund 440 gestorben. Dem Robert-Koch-Institut zufolge gibt es in Deutschland 591 bestätigte Fälle.

Quelle: bild.de, rp-online.de, focus.de, welt.de, berlinonline.de, AFP, mz-web.de, n-tv.de, sueddeutsche.de, spiegel.de.....