Immun ganz auf die Schnelle
Von Peter Nonnenmacher
London. 13 Millionen Briten sollen bereits im Oktober gegen die auf der Insel grassierende Schweinegruppe geimpft werden - mit Stoffen, die sich noch in der Testphase befinden. Gegen die von der Regierung geplante Massen-Immunisierung regt sich allerdings schon Widerstand.
Zur Zielgruppe der Aktion gehören Personen mit chronischen Atem- und Herzbeschwerden, Diabetes-Kranke, Schwangere und Rentner. Auch Ärzte, Pfleger und andere Angehörige des Gesundheitsdienstes sollen sich der Impfung unterziehen.
Doch stößt Londons offizielle Grippe-Politik nun erstmals auf Kritik. Denn entsprechende Tests haben gerade erst begonnen - an Freiwilligen in der Stadt Leicester.
Auch die Überzeugung der Regierung, mit der tonnenweisen Ausgabe des Grippe-Medikaments Tamiflu dem Problem beikommen zu können, teilen nicht alle Experten. Mehrere just veröffentlichte Studien nähren den Verdacht, dass die Kapseln, die London gehortet hat, bei Kindern mehr Schaden anrichten können als Nutzen bringen.
Ein Mediziner-Team der Universität Oxford ist diese Woche zu dem Schluss gekommen, dass Tamiflu eine Grippe-Erkrankung zwar um rund einen Tag verkürzt, bei Kindern aber gelegentlich zu Komplikationen führt, die sich als gefährlich erweisen können.
"Grippe-Freie Zone"
Kinder, die Tamiflu nehmen, leiden häufig an Übelkeit, Schlaflosigkeit und Albträumen. Das ergab eine aktuelle Studie des Amtes für Gesundheitsschutz. Peter Holden, der Top-Experte für Schweinegrippe im Britischen Ärzteveband, warnt denn auch neuerdings davor, von Tamiflu "zu viel Gebrauch" zu machen. Hingegen beharren Minister Burnham, sein Gesundheitschef Sir Liam Donaldson und der Tamiflu-Produzent Roche darauf, dass jeder Erkrankte das Präparat ruhig einnehmen solle: Die Tamiflu-Erfahrungen, auf die sich die Kritiker beriefen, seien eh nur mit normaler Grippe, und nicht mit Swine Flu, gemacht worden.
Derweil haben erkrankte Briten im Alltag immer mehr Probleme, überhaupt in einer Praxis behandelt oder in einer Apotheke bedient zu werden. "Grippe-Freie Zone" verkündet beispielsweise ein rot-weißes Schild auf der Glastür einer Praxis - bereits unten an der Straße. Die örtliche Arztpraxis fordert ihre Patienten auf, doch bitte draußen zu bleiben, sofern sie glauben, der Schweinegrippe zum Opfer gefallen zu sein. Gegebenfalls darf man die nationale Telefonzentrale anläuten, die die Regierung zur Selbstdiagnose beunruhigter Bürger eingerichtet hat. Medikamente abzuholen ist freilich das nächste Problem für den Patienten. Auch der nahe Drogeriemarkt will keine infizierte Kundschaft. Frisch gedruckte Hinweistafeln an allen Eingangstüren erklären der erkrankten Klientel, dass sie im Laden unerwünscht ist. "Grippe-Freunde", bisher nicht angesteckte Verwandte oder Bekannte, sollen sich als Einkaufs-Boten betätigen. Nie waren Freunde so wertvoll wie in diesen Tagen.
In englischen Krankenhäusern liegen zur Zeit rund 800 Swine-Flu-Patienten, davon ein Zehntel auf Intensivstationen. Die Todesrate für ganz Großbritannien wird bei 44 angesetzt. Laut Statistik sterben auf der Insel jedes Jahr allein an der gewöhnlichen Grippe über 12000 Menschen. Allerdings: Nirgendwo in Europa ist die Krankheit so stark verbreitet wie auf der Insel.
In Deutschland könnte sich geplante Massenimpfung bis Mitte 2010 hinziehen. Das sagte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) am Wochenende erklärt. "Wir erwarten von Glaxo-Smith-Kline ab Ende September wöchentlich zwei Millionen Impfdosen. Novartis könnte vermutlich ab November die gleiche Menge liefern". (mit dpa)
Quelle: bild.de, rp-online.de, focus.de, welt.de, berlinonline.de, AFP, mz-web.de, n-tv.de, sueddeutsche.de, spiegel.de, aerztezeitung.de, fr-online.de.....
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