Neue Fälle von Schweinegrippe in Schweizer Spitälern werfen die Frage auf, wie sicher Patienten in diesen Institutionen vor dem Virus sind. Eine Wöchnerin wurde in einem basellandschaftlichen Spital angesteckt, ein Arzt in Lausanne steckte 12 Menschen an.
Der Mediziner war nach den Ferien am 31. Juli trotz Unwohlsein zur Arbeit im Universitätsspital (CHUV) erschienen.
Auf der Entbindungsstation, wo er arbeitet, steckte er zehn Kollegen und zwei Schwangere an.
Das Spital schickte ihn umgehend nach Hause und benachrichtigte alle Personen, die mit ihm an diesem Tag in Kontakt gekommen waren. Die Infizierten wurden mit antiviralen Medikamenten behandelt, seine Mitarbeitenden wurden ebenfalls nach Hause geschickt.
"Das ist ärgerlich, es hätte nicht passieren sollen", sagte CHUV-Sprecher Darcy Christen gegenüber swissinfo.ch.
Derweil liegt im Universitätsspital Basel eine junge Mutter in kritischem Zustand. Dies, nachdem sie im basellandschaftlichen Kantonsspital Bruderholz nach ihrer Niederkunft von einem Besucher angesteckt wurde.
Die Frau leidet an einer schweren Lungenentzündung. Die letzten zwei Wochen wurde sie in einem künstlichen Koma gehalten und hing an einem Beatmungsgerät. Ihr Kind ist nicht mit dem Virus infiziert.
Fragezeichen
Schwangere und Menschen mit Gesundheitsproblemen sind besonders anfällig für die schwerwiegenderen Folgeerscheinungen der Schweinegrippe. Und genau diese Gruppen von Menschen sind häufiger in Spitälern.
Die jüngsten Ansteckungen haben nun die Frage nach Vorsichtsmassnahmen in Schweizer Spitälern aufgeworfen. Laut Margrit Kessler, Präsidentin der Schweizerischen Patienten- und Versichertenorganisation (SPO), werden Patienten "nicht genügend geschützt" vor der Schweinegrippe.
"Dies sind schwerwiegende Fälle", sagte sie gegenüber swissinfo.ch. "Die Angestellten stehen unter grossem Druck, zur Arbeit zu erscheinen, auch mit Fieber. Und plötzlich kann das gravierende Konsequenzen haben."
Jacques de Haller, Präsident der Verbindung Schweizer Ärztinnen und Ärzte, sagte jedoch gegenüber der Online-Ausgabe des Tages-Anzeigers, dass der Arzt in Lausanne nicht gegen die Sorgfaltspflicht verletzt habe und die Situation nicht überdramatisiert werden sollte.
Der Fall sei "nicht skandalös", sagte er, räumte aber ein, dass mehr Vorsicht geboten gewesen wäre, zumal der Lausanner Assistenzarzt auf der Geburtsstation gearbeitet hätte.
Er gab aber zu bedenken: "Wenn jeder Arzt, der hustet, nicht zur Arbeit kommt, haben wir alle ein Problem."
Nationale Koordination
Kessler kritisierte auch die Tatsache, dass die föderalistische Schweiz 26 verschiedene Gesundheitssysteme habe, die alle unterschiedlich gegen die Schweinegrippe in Spitälern vorgehen würden. Dies würde ihrer Meinung nach besser auf nationaler Ebene koordiniert.
Laut dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) ist geplant, nächste Woche neue Empfehlungen zum Schutz von Patienten und Spitalpersonal herauszugeben. Die Frage der Besuchenden oder der Besuchsrechte wird darin aber nicht geregelt. Dies liegt in der Verantwortung von Kantonsspitälern und Ärzteschaft.
Darcy Christen erklärte, das Unispital Lausanne habe seit dem aktuellen Fall die Eingrenzungs-Massnahmen erhöht.
"Wir haben die Belegschaft an die strikten Massnahmen erinnert: Wenn sie krank sind, sollen sie zu Hause bleiben und nicht zur Arbeit kommen; wenn sie mit einem Virusträger in Kontakt gekommen sind, sollen sie sieben Tage lang eine Maske tragen; sie sollen regelmässig die Hände desinfizieren und in Papiertaschentücher husten", sagte er.
Es gebe keine Pläne, Spitalbesuche zu begrenzen. Besuchende seien jedoch spezifisch über die Risiken informiert worden, ergänzte der Spitalsprecher.
Unterschiedliches Vorgehen
Im Kantonsspital Bruderholz hingegen sind keine zusätzlichen Massnahmen geplant. Das Spital setzt den Fokus weiterhin auf Information und Schulung von Belegschaft und Besuchenden.
Schilder sollen Leute von Besuchen abhalten, und alle Besuchenden von Schwangeren oder chronisch Kranken werden gebeten, Masken zu tragen. Dies kann allerdings nicht erzwungen werden.
30 Kilometer entfernt im Kantonsspital Liestal, ebenfalls Kanton Basellandschaft, ist die Situation allerdings anders: Alle Angestellten und Besuchenden, die in Kontakt mit Schwangeren oder Wöchnerinnen kommen, müssen eine Maske tragen und die Hände desinfizieren. Das Spital rät auch von Besuchen ab.
In Bern, Basel und Zürich setzen die grossen Spitäler auf die Eigenverantwortung von Besuchenden und Patienten. Auch werden die Angestellten über zusätzliche Hygienemassnahmen informiert.
Andreas Bitterlin, Sprecher des Basler Universitätsspitals, erklärte gegenüber der Zeitung Der Bund, man habe über die Einschränkung des Besuchsrechts oder eine Maskentragpflicht diskutiert.
"Aber wir befürchten, dass die Maske eine falsche Sicherheit vermittelt, und die Leute nachlässig werden bei den anderen Hygienemassnahmen", beonte er.
"Ich weiss nicht, warum das so unterschiedlich aufgefasst wird", sagte de Haller gegenüber dem Tages-Anzeiger. "Doch klar ist: Wäre die Schweinegrippe richtig gefährlich, wären sich alle schnell einig."
Simon Bradley, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Englischen: Christian Raaflaub und Peter Siegenthaler)
Quelle: bild.de, rp-online.de, focus.de, welt.de, berlinonline.de, AFP, mz-web.de, n-tv.de, sueddeutsche.de, spiegel.de, aerztezeitung.de, swissinfo.ch.....
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