Krank werden schützt besser als impfen

|

Von David Schaffner, Luzern
Wer sich im Herbst nicht impft und sich mit der Schweinegrippe ansteckt, ist besser vor einem zweiten, aggressiveren Virus geschützt. Aber nur kurzfristig.

Unbestritten: Gesichtsmasken vermindern die Übertragung des Virus.Bild: KeystoneKeystone
Wer nur auf sich selbst schaut und kurzfristig denkt, kann sich wohl ohne schlechtes Gefühl im Bauch dafür entscheiden, auf eine Impfung gegen die Schweinegrippe zu verzichten. Einerseits verläuft die Schweinegrippe meistens nicht schwerer als eine saisonale Grippe, andererseits können Impfgegner darauf hoffen, bei einer zweiten Welle vor einem mutierten, gefährlicheren Virus besser geschützt zu sein.

«Eine Erkrankung ist eine Art natürliche Impfung», sagt Werner Wunderli. «Im Gegensatz zu den bisherigen Grippeimpfstoffen bietet sie aber einen hundertprozentigen Schutz, auch vor mutierten Viren.» Der Virologe bestätigt die Aussagen der beiden Ärzte, die sich gestern im «Tages-Anzeiger» über die Vor- und Nachteile des Impfens gestritten haben.

An die Gefahr für andere denken
Trotz des besseren Schutzes betont Wunderli, dass es «ausserordentlich wichtig» sei, dass sich in den kommenden Monaten möglichst viele Menschen gegen die Schweinegrippe impfen lassen würden: «Wer nur auf sich selber schaut, kann sich arg verrechnen», warnt der ehemalige Leiter des nationalen Zentrums für Influenza, der zusammen mit anderen Fachleuten den Pandemieplan des Bundes ausgearbeitet hat. «Je mehr Menschen die Krankheit erhalten, desto mehr wird das Virus zirkulieren und desto stärker wird es in den nächsten Monaten mutieren.»

Das könnte auch für jene gefährlich werden, die den Virenangriff schon einmal überstanden haben: Laut Wunderli verändern sich Viren teilweise nämlich derart stark, dass eine Erkrankung mit dem Vorgängervirus keinen Schutz mehr bietet: «Handelt es sich dann um ein gefährliches Virus, dann haben wir das schlimmstmögliche Szenario.» Es könnte sich ebenso schnell verbreiten wie das heutige Virus, aber weitaus schlimmere Folgen haben. Weder eine Impfung noch eine frühere Erkrankung würden davor schützen.

«Immer für eine Überraschung gut»
Wunderli betont, dass Grippeviren unberechenbarer und trickreicher seien als andere Viren: «Sie sind immer für eine Überraschung gut, die Wissenschaftler hinken stets hinterher.» Deshalb sei es sehr wichtig, die Pandemie so schnell wie möglich einzudämmen. «Dies erreichen wir nur, wenn sich möglichst viele Menschen für eine Impfung entscheiden», sagt er.

Noch keine Empfehlung abgeben möchte der Vizepräsident der eidgenössischen Impfkommission: Laut Hans Binz ist es zum heutigen Zeitpunkt «höchst spekulativ», darüber zu diskutieren, ob eine Impfung oder eine Erkrankung einen besseren Schutz vor Mutationen biete. «Wir wissen nicht, wie sich das Virus in Zukunft verändert», sagt er. «Überdies ist bisher unklar, wie hoch der Wirkungsgrad der neuen Impfstoffe ist, die voraussichtlich ab Herbst erhältlich sind.» Am 12. August treffen sich die Mitglieder der Impfkommission, um über eine künftige Impfkampagne gegen die Schweinegrippe zu diskutieren.

Todesurteil für den kranken Vater
In den Kantonen haben die Spezialisten schon erste Erfahrungen mit Schweinegrippepatienten gemacht: «Sie zeigen, wie wichtig es ist, dass die Menschen nun nicht nur an sich selbst denken, sondern an die Allgemeinheit», sagt Hans-Peter Roost, der stellvertretende Luzerner Kantonsarzt. «Wenn sich gesunde Menschen nicht impfen lassen, können sie zwar auf einen moderaten Verlauf hoffen, gleichzeitig gefährden sie ihre schwächeren Mitmenschen.»

In Luzern hat es bereits mehrere Fälle gegeben, in denen Schweinegrippepatienten eine grosse Gefahr für ihr Umfeld darstellten. «Ein junger Mann ist nach den Ferien mit Grippesymptomen nach Hause zurückgekehrt, wo sich sein Vater gerade von einer Lungentransplantation erholte», erzählt Roost. «Für den Vater hätte eine Infektion mit der Grippe wohl das Todesurteil bedeutet.» Der kantonsärztliche Dienst habe darauf bestanden, dass der Sohn für mindestens sieben Tage an einem anderen Ort wohne.

Quelle: bild.de, rp-online.de, focus.de, welt.de, berlinonline.de, AFP, mz-web.de, n-tv.de, sueddeutsche.de, spiegel.de, aerztezeitung.de, bazonline.ch.....