Schweinegrippe-Impfung: Empörung über Kassen-Trickserei

Die gesetzlichen Versicherungen wollen die Kosten der Schweinegrippen-Impfung auf die Versicherten abwälzen. Eine List der Kassen, sagen Experten. Zusatzbeiträge seien sowieso geplant gewesen.
Von FOCUS-Online-Redakteurin Christina Otten

Ein neues Fass ist geöffnet: Mit ihrer Ankündigung vom Mittwoch, die Beiträge wegen der Schweinegrippen-Impfung erhöhen zu wollen, platzen die gesetzlichen Versicherungen mitten hinein in die heiße Wahlkampfphase. Neue Belastungen für die Versicherten nach der Beitragserhöhung durch den Gesundheitsfonds – ein heikles Thema für die Politiker beim Stimmenfang in den Fußgängerzonen.

„Bei Arzneimitteln einsparen“
Entsprechend groß ist das Unverständnis in den Parteien. Die Forderung sei „ungerechtfertigt und unklug“, sagte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach FOCUS Online. Die Kosten für die Impfung würden in der Größenordnung von etwa einem halben Prozent der jährlichen Ausgaben der Kassen liegen. „Das ist innerhalb des Korridors dessen, was man an anderer Stelle, zum Beispiel bei Arzneimitteln, einsparen kann.“

Bei der Drohung mit steigenden Beiträgen handle es sich „um eine Art Erpressung, wie im Gesundheitssystem inzwischen üblich“, so Lauterbach. Offenbar versuchten Kassen, die künftig ohnehin nicht mehr ohne Zusatzbeiträge auskämen, die Schweinegrippe nun zu „instrumentalisieren“.

Erhöhung zum 01.10.2009
Tatsächlich schieben die Kassen den Schwarzen Peter in ihrer aktuellen Stellungnahme in Richtung Politik. In der Erklärung des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) heißt es: „Für den Fall, dass keine Finanzierung aus Steuermitteln erfolgt, wäre die Alternative, den Beitragssatz mit voraussichtlicher Wirkung zum 01.10.2009 anzupassen.“ Das Ausgabenrisiko dürfe nicht auf die Krankenkassen übertragen werden. „Ohne eine solche Kompensation müssten die Krankenkassen die Zusatzbelastungen über Zusatzbeiträge finanzieren.“

Das Gesundheitsministerium schweigt. Noch in der vergangenen Woche hatte Staatssekretär Klaus Theo Schröder (SPD) erklärt, er könne ausschließen, dass Zusatzzahlungen auf die Beitragszahler zukämen. Es gebe keinen Grund für die Krankenkassen, Kosten auf die Versicherten abzuwälzen. Denn im laufenden Haushaltsjahr gebe es bei den Kassen eine Überdeckung von rund einer Milliarde Euro. Die Impfkosten in Deutschland seien aber nur mit 500 bis 550 Millionen Euro veranschlagt.

Rechtslage klar
Die Bundesländer haben 50 Millionen Impfdosen bestellt, die im Herbst geliefert werden sollen. Diese Menge reicht aus, um 25 Millionen Menschen zu impfen. Vorrangig sollen zunächst Risikogruppen wie chronisch Kranke, Schwangere, Übergewichtige sowie Beschäftigte im Gesundheits- und Sicherheitssektor versorgt werden. Die Bundesregierung hat bereits angekündigt, bis Mitte August eine Verordnung zu der geplanten Schutzimpfung gegen die Schweinegrippe zu verabschieden.

Für den CDU-Gesundheitsexperten Hans Georg Faust ist die Rechtslage damit klar: „Das Impfschutzgesetz verpflichtet die Kassen, die Kosten zu übernehmen“, sagt er. Allerdings äußert er auch Verständnis für den Unmut der Versicherungen. „Jetzt geht es darum, die Finanzierung nochmals in Ruhe zu klären.“ Eine Beteiligung des Staates, also mit Steuergeldern, will er nicht ausschließen.

Genau dagegen wettert SPD-Experte Lauterbach: „Der Staat gibt schon eine Garantie für Einnahmeausfälle der Kassen durch den Steuerzahler, wenn die Arbeitslosigkeit steigen würde. Die Kassen wären gut beraten, die Kirche im Dorf zu lassen.“

Private zahlen
Die privaten Versicherungen haben indes bestätigt, die Kosten für ihre Versicherten zu übernehmen. Die gesetzlichen Kassen verweisen dagegen auf ihre prekäre Finanzlage. Seit Januar bekommen die fast 200 gesetzlichen Krankenkassen ihr Geld aus dem Gesundheitsfonds zugewiesen. Auf diese Weise verteilt der Fonds in diesem Jahr insgesamt fast 168 Milliarden Euro. Kommen die Kassen mit diesem Geld nicht aus, müssen sie von ihren Mitgliedern einen Zusatzbeitrag erheben. „Der Gesundheitsfonds muss rückabgewickelt werden“, kritisiert FDP-Gesundheitsexperte Daniel Bahr. „Die staatliche Einheitskasse ist ein Fehler. Wir brauchen wieder die Beitragsautonomie der Krankenkassen.“

Zusatzbeitrag schon lange geplant
Gesundheitsökonomen vermuten hinter dem lauten Aufschrei bei der Schweinegrippen-Impfung indes noch einen ganz anderen Grund. Für sie haben die Kassen nun endlich die Katze aus dem Sack gelassen. „Die Schweinegrippe dürfte für viele ein willkommener Anlass sein, von ihren Versicherten Zusatzbeiträge einzufordern und den Schwarzen Peter dafür der Politik zuzuschieben“, sagte der Bayreuther Experte Peter Oberender FOCUS Online.

Den gesetzlichen Krankenversicherungen fehlen nach Einschätzung der DAK im kommenden Jahr bis zu elf Milliarden Euro. Sie erwarten deshalb im kommenden Jahr eine Welle von Zusatzbeiträgen. Die Impfdebatte hat wohl den Startschuss gegeben, meint auch Lauterbach. „Einige Kassen werden Zusatzbeiträgen nehmen müssen, und sie werden sich wohl hinter der Schweinegrippe verstecken wollen. Diese Kassen wären aber auch so nicht ohne Zusatzbeiträge ausgekommen.“

Quelle: bild.de, rp-online.de, focus.de, welt.de, berlinonline.de, AFP, mz-web.de, n-tv.de, sueddeutsche.de, spiegel.de, aerztezeitung.de.....