Schweinegrippe-Schnelltests versagen in jedem zweiten Fall

Diagnose mangelhaft: Die Schnelltests, die zur Erkennung der Schweinegrippe benutzt werden, sind extrem unzuverlässig - und geben in vielen Fällen falsche Entwarnung. Bei einer Arzthelferin wurde eine Infektion nicht erkannt, die Frau arbeitete noch tagelang in einer Klinik.

Die Schnelltests, die bei Schweinegrippe-Verdachtsfällen verwendet werden, geraten zunehmend ins Zwielicht. "Die gegenwärtig zur Verfügung stehenden Schnelltests zeigen zu mehr als 50 Prozent ein falsch negatives Ergebnis an", sagte Thomas Schulz, Leiter der Virologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Eine Infektion mit der Seuche werde also bei jedem zweiten Verdachtsfall nicht erkannt. Schulz beruft sich auf seine Erfahrungen aus 20 Schnelltests.

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Labor-Mitarbeiterin in Berlin-Brandenburg: Viele Infektionen könnten übersehen werden
"Der Test wurde für die normale Influenza entwickelt und reagiert auf dieses spezielle Grippevirus nicht genau", sagte Schulz im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Er werde eher als Notlösung für die Erkennung von Schweinegrippe verwendet.

Nur wenn ein Schnelltest positiv ist, wird ein zusätzlicher Viren-Gentest angeordnet, der Sicherheit bietet. Aus diesem Grund benutze die MHH die Schnelltests in der Routinediagnostik der Schweinegrippe zurzeit nicht, sagte Schulz. Allerdings bedeute das nicht, dass die offiziell vom Robert-Koch-Institut gemeldeten Fallzahlen damit unzuverlässig seien. "Diese Diagnosen basieren auf zuverlässigen Gentests."

Auch die US-Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC) warnt vor einer hohen Fehlerquote bei den weit verbreiteten Schweinegrippe-Schnelltests. Sie könnten bei einer geringen Konzentration des Virus H1N1 ein negatives Ergebnis liefern, obwohl eine Infektion vorliege. Die Trefferquote liege lediglich zwischen 40 und 69 Prozent. Zahlreiche Infektionen könnten so übersehen werden und die Betroffenen keine Therapie erhalten, teilte das CDC in seinem wöchentlichen Bericht in Washington mit. Die Behörde hatte nach eigenen Angaben Schweinegrippe-Schnelltests von drei verschiedenen Anbietern getestet. Bei einer hohen Virenkonzentration trat die Fehldiagnose jedoch nicht auf.

Schulz rät daher Hausärzten und Kliniken, den Schnelltest nicht mehr zu verwenden und im Verdachtsfall einen Gentest vornehmen zu lassen. Dazu aber muss eine Blutprobe an ein Labor geschickt werden - laut Schulz dauert es rund einen Tag, bis das Ergebnis vorliegt. Weiteres Problem sind die Kosten. Der Gentest ist teurer als der Schnelltest: "Die Krankenkassen zahlen nur den Schnelltest, aber nicht den Gentest auf Schweinegrippe", so Schulz. Patienten mit Verdacht auf Schweinegrippe müssten daher die Kosten für den zuverlässigen Gentest in Höhe von 50 bis 80 Euro selbst aufbringen, um Gewissheit zu haben, ob sie mit der Seuche infiziert sind oder nicht.

Die Unzuverlässigkeit des Schnelltests hatte in Deutschland bereits in mindestens einem Fall negative Auswirkungen: Eine Klinikmitarbeiterin in Braunschweig war nach einem Urlaub auf Ibiza mit Beschwerden zu ihrer Hausärztin gegangen. Der dort durchgeführte Schnelltest fiel negativ aus, die Frau wurde nicht krankgeschrieben. Sie kehrte daraufhin an ihren Arbeitsplatz zurück und betreute eineinhalb Wochen lang Patienten. Erst der Labortest brachte die eindeutige Schweinegrippe-Diagnose.

Die 60 Patienten und 13 Kollegen, mit denen die 25-Jährige in der Klinikambulanz in Kontakt kam, wurden nach Angaben einer Klinik-Sprecherin untersucht. Ein Test habe ergeben, das keine Ansteckung vorliege. "Die Mitarbeiterin hatte mit allen Patienten und Kollegen nur wenig direkten Kontakt. Als Arzthelferin gehören vor allem Schreibarbeiten zu ihren Aufgaben."

Experten kritisieren das Vorgehen der Klinik: "Es war fahrlässig, sich bei dieser Patientin mit deutlichen Grippesymptomen nur auf den Schnelltest zu verlassen und sie wieder zur Arbeit zu schicken, ohne das Laborergebnis abzuwarten", sagte der Sprecher des niedersächsischen Gesundheitsministeriums, Thomas Spieker.lub/AFP/dpa

Quelle: bild.de, rp-online.de, focus.de, welt.de, berlinonline.de, AFP, mz-web.de, n-tv.de, sueddeutsche.de, spiegel.de, aerztezeitung.de.....